Jakobus war der Sohn des Fischers Zebedäus und der Salome und ein älterer Bruder des Apostels Johannes. In den Evangelien fallen die beiden Zebedäussöhne wiederholt auf. Wegen ihres ungestümem Temperaments (vgl. Lk 9,52-54) hat Jesus sie „Donnersöhne“ genannt (Mk 3,17). Jakobus war Zeuge der Verklärung Jesu und seines Gebets am Ölberg. Als erster der Zwölf erlitt er den Märtyrertod. König Herodes Agrippa I. ließ ihn ums Jahr 44 mit dem Schwert hinrichten. Nach altbekannter spanischer Überlieferung ist sein Leib in Santiago de Compostela begraben, der zu den großen Wallfahrtsorten Europas zählt. Bereits seit dem 11. Jahrhundert gibt es die Wallfahrten aus den verschiedenen Ländern Europas hin zu dem spanischen Heiligtum. In jüngster Zeit hat das Pilgern auf dem Jakobsweg eine größere Verbreitung und Beachtung gefunden. Für Papst Johannes Paul II. dient die Wallfahrt nach Santiago de Compostela der Einheit Europas. Als er am 9.11.1982 als Pilger dort verweilte, betonte er: „An der ‚Memoria’ des hl. Jakobus ist Europa sich selbst begegnet, und zwar genau in den Jahrhunderten, in denen es zum homogenen und geistig geeinten Kontinent wurde. So hat Goethe festgestellt, dass das Bewusstsein Europas aus den Wallfahrten gewachsen ist. Die Pilgerfahrt nach Santiago war eines der wichtigen Elemente zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses so unterschiedlicher Völker wie Lateiner, Germanen, Kelten, Angelsachsen und Slawen.“ Dem slawischen Papst ist es über Jahrzehnte ein starkes Anliegen gewesen, die geistige Einheit Europas zu betonen. So sind seine Worte in Santiago de Compostela, auf den Tag sieben Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer, wegweisend. Europa müsse wieder seine Seele finden, wie er in einem beeindru-ckenden Appell unterstreicht: „Altes Europa! ... Finde wieder zu dir selbst! Sei wieder du selbst! Besinne dich auf deinen Ursprung! Belebe deine Wurzeln wieder! Lass jene wahren Werte wieder aufleben, die deine Geschichte ehrenvoll machten und dich unter den anderen Erdteilen herausheben.“ Diese Worte am spanischen Wallfahrtsort gewinnen in unserer Zeit neue Aktualität, da viele meinen, es reiche ein wirtschaftlich starkes Europa, um die Zukunft des Kontinents sicher zu stellen. Es bleibt auf Dauer nicht ungestraft, wenn die Fragen nach den geistigen Wurzeln und der geistigen Einheit Europas ausgeklammert werden. Warum gibt es auf der politischen Ebene Europas eine solche Angst, sich zu den christlichen Werten zu bekennen? Das Christentum hat den europäischen Kontinent geprägt. Die Botschaft von der Menschenwürde des einzelnen und von der gelebten Nächstenliebe, die zu einem solidarischen Miteinander führen, ist wegweisend für eine gute Zukunft. Der gelebte christliche Glaube, der in der Haltung der Selbstlosigkeit zum Ausdruck kommt, hilft beim Aufbau des Friedens zwischen den Nationen und innerhalb der einzelnen Länder. Anlässlich der Feier des Weltjugendtags war Papst Johannes Paul II. 1989 wieder in Santiago de Compostela und erinnerte dort an die Frage Jesu an Jakobus und dessen Bruder:„Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?“ Weiter formulierte der Pontifex: „Durch die Jahrhunderte hindurch sind Menschen aus vielen Städten und vielen Nationen auf Wallfahrt hierhergekommen; zu dem Apostel, zu dem Christus gesagt hatte: Du wirst meinen Kelch trinken. Die jungen Menschen sind hierher gepilgert, um am Grab des Apostels jene Wahrheit des Evangeliums zu lernen: ‚Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.‘ In diesen Worten begegnet man dem wesentlichen Kriterium für die Größe des Menschen. Dieses Kriterium ist neu. So war es zurzeit Christi und so ist es auch weiterhin nach zweitausend Jahren. Dieses Kriterium ist neu. Es setzt eine Umwandlung voraus, eine Erneuerung der Urteilsmaßstäbe, nach denen die Welt regiert wird: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein“ (Mt 20,25-26). Diese Sätze zeigen, die Worte Jesu sind anspruchsvoll, aber sie sind Licht in der Dunkelheit dieser Zeit.